Optimierte und leistungsfähige Prozesse im Bereich der Lagerlogistik – für viele Unternehmen ein wichtiger Baustein für den Erfolg. Doch für welche Software zur Lagerverwaltung entscheidet man sich? Wir sind dieser Frage auf den Grund gegangen und haben die zwei Warehouse Management Tools der SAP, SAP WM und SAP EWM, gegenüber gestellt und die Unterschiede für Sie aufbereitet.

Was ist EWM?

Bei SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) handelt es sich um eine Software zur Lagerverwaltung. In der Grundfunktion ähnelt SAP EWM dem ersten tatsächlichen Warehouse Management Tool von SAP, SAP WM. Jedoch liefert EWM weitaus mehr Funktionalitäten.

SAP Extended Warehouse Management ist ein Teil der Supply Chain Execution Plattform von SAP (SAP SCE) und bietet viele Möglichkeiten, Prozesse entlang der Logistikkette abzubilden. Dabei ist EWM jedoch keinesfalls ein reiner Ersatz für WM. EWM richtet seinen Fokus lediglich auf eine stabilere Funktionsweise und optimierte Prozesse.

Der große Vorteil und damit auch der häufigste Grund EWM statt WM einzusetzen, liegt in den qualitativen und quantitativen Vorteilen, die dieses System mit sich bringt. So werden die Anzahl der Prozesse im Lager und die Fehlerhäufigkeit verringert und gleichzeitig Produktivität und Kontrolle über das Inventar verbessert.

Im Gegensatz zu SAP WM, welches in dem eigentlichen ERP System integriert ist, kann EWM auch vollkommen unabhängig von SAP ERP betrieben werden.

Der Umstieg auf SAP EWM – Ab wann macht er Sinn?

Ob sich der Umstieg auf SAP EWM wirklich lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab. Der Funktionsumfang von SAP EWM ist weitaus größer als der des in SAP ERP enthaltenen Moduls SAP WM. Vieles, was unter WM als Add-On realisiert werden muss, ist in EWM bereits enthalten. Allerdings ist EWM anders aufgebaut als WM, so dass intern neues KnowHow aufgebaut werden muss.

Man sollte sich vor dem Umstieg folgende Fragen stellen:

Ist eine Migration von SAP LE / SAP WM auf SAP EWM möglich?

Was geschieht mit meinen individuellen Add-Ons?

Wie hoch sind die Kosten des Umstiegs?

Welche Funktionen von SAP EWM brauche ich für mein Lager?

Kann ich SAP LE-WM und SAP EWM evtl. parallel nutzen?

Strukturelle Unterschiede von  SAP EWM und WM: ein Beispiel

Durch die Gegebenheit, dass es sich bei SAP EWM um ein eigenständiges System handelt, muss das bestehende SAP ERP natürlich mit diesem kommunizieren. Dabei ist  EWM für sämtliche Prozesse und Vorgänge zuständig, die die Lagerlogistik betreffen. Auf dem ERP-System hingegen werden Kundenaufträge angelegt, Kundennummern gepflegt usw.

Es wird beispielsweise auf ERP-Seite aus einem Kundenauftrag heraus eine Lieferung erzeugt. Diese Lieferung stößt u.a. Folgeaufgaben zur Auslagerung der benötigten Materialien/Produkte an. Diese Lieferung wird nun exakt in das EWM-System „kopiert“. Hier werden nun die einzelnen Positionen der Lieferung abgearbeitet, d. h. Material entnommen, geprüft, verpackt, usw. Sobald alle Aufgaben der Lieferung durchgeführt wurden, werden sämtliche Informationen die im Laufe dieser Aktion gesammelt wurden, zurück an das ERP-System übermittelt, welches diese Informationen in die eigentliche Lieferung übernimmt. Für den gesamten Vorgang des EWM-Prozesses ist die „originale“ Lieferung auf dem ERP für Bearbeitungen jeglicher Art gesperrt.

Diese Vorgehensweise entfällt bei der Verwendung von SAP WM. Durch die Tatsache, dass WM direkt in ERP integriert ist, verwendet WM keine Kopie des von ERP erzeugten Liefer-Auftrags, sondern die Lieferung selbst. Zur Bearbeitung der Lieferung erzeugt WM Transportaufträge, durch die alle Prozesse zur Lieferungsbearbeitung durchgeführt werden.

Durch die Verwendung von SAP EWM werden somit kaufmännische und logistische Tätigkeiten klar von einander getrennt. Ein kaufmännischer Mitarbeiter bewegt sich meist ausschließlich auf dem ERP und hat somit während der Durchführung der Lageraufgaben nicht die Möglichkeit, Änderungen an der Lieferung durchzuführen. Ein Mitarbeiter der Logistik hingegen bewegt sich auf  EWM und hat nur die Option, die spezifischen Lageraufgaben zu erledigen.

Unterschied SAP WM EWM KundenauftragFunktionen von SAP EWM

In der Regel ist es sinnvoll, die Suche nach einem Lagerplatz durch die Kapazitätsprüfung zu optimieren. Wenn diese aktiv ist, überprüft das System bei der Erstellung einer Einlagerungsaufgabe, welcher Lagerplatz die Kapazität besitzt, die einzulagernde Menge aufzunehmen. Somit ist es nicht nötig die Mengen aufzuteilen oder ggf. das Material zu einem späteren Zeitpunkt nochmals umzulagern.

Die Lagerungsdisposition sorgt dafür, dass automatisch für jedes Produkt ein Lagerkonzept erstellt wird. Dieses ermittelt auf Basis der Stammdaten, also Produktdaten, Bedarfsdaten, Packdaten usw., die für die Einlagerung relevanten Lagerparameter. Aufgrund dieser Parameter wird dann der geeignete Lagerbereich für das Produkt festgelegt.

Inventuraufgaben können mit SAP EWM direkt auf dem SAP-System und ggf. mit RF-Unterstützung erfolgen.

Die Verwendung von Fixplätzen im Lager gehört zu den Einlagerungsstrategien. Es werden hierbei fixe Lagerplätze für bestimmte Produkte zugewiesen. Für einzelne Lagertypen kann angegeben werden, dass nur Produkte mit Fixplatzzuordnung eingelagert werden können.

SAP EWM schlägt im Rahmen der endgültigen Einlagerung einen bestimmten Einlagerungsweg vor, der dann vom Lagerarbeiter gewählt werden sollte. Somit ist gewährleistet, dass Flurförderzeuge effektiv genutzt werden und wenige Leerfahrten entstehen.

Ein Lagertyp besteht aus mehreren Lagerfächern, die als Lagerplätze bezeichnet werden. Der Lagerplatz bezeichnet also die genaue Stelle im Lager, an der Produkte liegen bzw. Produkte gelagert werden können.

Es gibt zwei Arten von Lagerungssteuerung. Zum einen gibt es die prozessorientierte Lagerungssteuerung, welche die verwendeten Ein- und Auslagerungsprozesse (z. B. Entladen, Zählen, usw.) direkt auf SAP abbildet. Die physikalische Beschaffenheit des Lagers ist dabei größtenteils unerheblich. Im Gegensatz dazu steht die layoutorientierte Lagerungssteuerung. Eine detaillierte Vorstellung dieser finden Sie hier.

Mit dem Arbeitsmanagement stehen eine Reihe von Funktionen zur Verfügung, die verwendet werden können, um Arbeitszeiten und Ressourcen im Lager besser zu planen und dadurch das Lager generell produktiver zu gestalten.

SAP EWM beinhaltet ein erweitertes Radio-Requency-(RF)-Framework, das verwendet werden kann, um Funktionalitäten von mobilen RF-Geräten (z. B. Handscanner) zu verbessern und nahtlos in das System zu integrieren.

Mit Hilfe des Yard Managements kann das Firmengelände in Bezug auf ankommende und ausgehende Fahrzeuge verwaltet werden. Sämtliche Bewegungen von Fahrzeugen können durch die Verwendung von Lageraufgaben nachverfolgt werden. SAP stellt außerdem einen eigenen Monitor zur Überwachung des Geländes bereit.

Um eine möglichst effiziente Bearbeitung von Produkten und Handling-Units (HUs), sowie die Minimierung unnötiger Umschlagsvorgänge zu gewährleisten, bietet SAP EWM einige Corss-Docking Funktionalitäten. Diese ermöglichen es, Waren zu versenden, ohne vorher einen Wareneingang gebucht haben zu müssen. Weitere Informationen zum Cross-Docking unter SAP EWM finden Sie hier.

SAP EWM wurde ursprünglich mit dem Unternehmen Caterpillar zusammen entwickelt. Caterpillar ist ein Anbieter von Logistikdienstleistungen. Es wurden also einige Funktionen eingebaut, die das Outsourcing beinahe der gesamten Logistik an eben solche Unternehmen ermöglichen, ohne umständliche Schnittstellen in Kauf nehmen zu müssen.

Zusätzlich bietet SAP EWM die Möglichkeit, logistische Zusatzleistungen ins System zu integrieren. Solche Zusatzleistungen können z. B. das Zusammenbauen von Produkten oder das Verpacken und die Etikettierung sein. Diese Services beeinflussen natürlich die verwendete Lagerungssteuerung.

 

Vergleich SAP EWM vs. SAP WM

Die oben genannten Funktionalitäten sind nur ein Ausschnitt dessen, was SAP EWM zu bieten hat. Die folgende Grafik stellt die Funktionen von SAP WM und EWM gegenüber.

 

SAP WM, SAP EWM, Funktionen, Überblick

Im Vergleich zu WM bietet EWM eine Reihe von neuen Funktionen bzw. Erweiterungen zu den bisherigen Funktionen.

In Bereichen wie Lagerorganisation, Nachschub, Inventur oder Wellenbildung finden sich z. B. signifikante Änderungen, mit denen sich die Lagerverwaltung flexibler und übersichtlicher gestalten lässt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Verpacken, Verladen, Ausliefern. Die einzelnen Prozesse des Warenausgangs bieten in der Regel  viel Potential für Optimierungen. Ein effizienter und schlanker Warenausgangsvorgang sorgt für geringere Durchlaufzeiten, eine verminderte Fehleranfälligkeit und somit auch zu einer höheren Kundenzufriedenheit.

SAP EWM bietet auch im Warenausgang eine Variation an neuen und verbesserten Funktionen, die bei WM nicht, bzw. nicht in derselben Form vorhanden sind. Mehr Informationen finden Sie hier.

Neben den Änderungen und Verbesserungen in den einzelnen, spezifischen Bereichen der Logistik gibt es auch Funktionen, deren Nutzen sich über mehrere Bereiche ausdehnen lässt.

So wird z. B. eine verbesserte Verwendung von RF-Frameworks durch SAP EWM möglich, um im gesamten Lager beleglos zu arbeiten und verschiedenste mobile Endgeräte anzubinden. Daneben wurden Funktionen wie Arbeitsmanagement, Bestandsmanagement, grafisches Lagerlayout usw. ergänzt. Weitere Informationen finden Sie hier.

SAP EWM bietet viele Möglichkeiten zur effektiven Steuerung von Materialflüssen. Ein- und Auslagerungsprozesse können durch die Einbindung von automatischen Förderanlagen und deren Abbildung direkt auf dem SAP-System genau überwacht und optimiert werden.

Dabei werden den Anwendern viele verschiedene Szenarien geboten, die Förderanlagen zu konfigurieren und auf die etwaigen Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Umfeld von SAP WM gibt es die Möglichkeit das Qualitätsmanagement Modul von SAP ERP (SAP QM) anzubinden. Jedoch werden alle QM-Prozesse weiterhin auf dem SAP ERP durchgeführt. SAP WM hat lediglich die Möglichkeit auf die entsprechenden Informationen zuzugreifen.

Mit SAP EWM können sämtliche Prozesse direkt in das EWM integriert werden. EWM liefert eine sogenannte Quality Inspectation Engine (QIE), die zwar auch mit dem QM-Modul kommuniziert, jedoch alle Prüfungen direkt auf EWM ausführt und sie dann auf das ERP überträgt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Migration auf SAP EWM

Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten eine Migration von SAP WM auf SAP EWM durchzuführen:

 

Was geschieht mit meinen individuellen Add-Ons?

An dieser Stelle muss kalkuliert werden, welche Add-Ons nach einem „Upgrade“ noch benötigt werden. Viele Add-Ons oder Modifikationen dienten dazu, Funktionen einzufügen, die  SAP EWM nun bereits im Standard mit sich bringt. Es empfielt sich, auf den Standard in SAP EWM zu wechseln, um den Wartungsaufwand zu minimieren

Sollten es Modifikationen sein, die auch weiter bestehen sollen, muss mit dem zuständigen Entwickler abgestimmt werden, inwiefern diese in das SAP EWM übertragen werden können.

Kann ich mein WM parallel zu EWM betreiben?

Wird ein SAP ERP zusätzlich zu SAP EWM verwendet, besteht die Möglichkeit auch die WM-Komponente zu aktivieren. Die parallele Verwendung kann für unterschiedliche ERP-Organisationseinheiten (Werk, Lagerort) verwendet werden. Man kann also einen Lagerort mit EWM führen, einen anderen mit WM.

Um also ein SAP EWM als „Nachfolger“ zu WM verwenden zu können, müssen sämtliche Daten aus dem WM sauber in das EWM-System migriert werden. Das eigentliche ERP (und damit auch SAP WM) wird dann nur noch verwendet um Lieferungen zu erzeugen.

Fazit

Wie Sie sehen, bietet SAP EWM einen weit größeren Funktionsumfang als es das „herkömmliche“ Warehouse Management tut. Jedoch trennt die beiden, neben dem Funktionsumfang, natürlich auch der Preis. Es bleibt also, wie so oft, nur abzuwägen welche Funktionen man wirklich benötigt.

In den meisten Fällen greifen Unternehmen mit einem hohen Aufkommen an Lagerbewegungen und umfangreichen Prozessen auf die Funktionalitäten von SAP EWM zurück.

Für alle, die den vollen Funktionsumfang von SAP EWM benötigen, ist der Umstieg zu empfehlen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass SAP WM nicht mehr weiterentwickelt wird und alle neuen Funktionalitäten ausschließlich in SAP EWM zur Verfügung gestellt werden. Eine Basis-Version von SAP EWM ist bereits in S/4HANA enthalten und kann somit für vielerlei Funktionen bereits verwendet werden. Ein separates EWM-System muss gesondert lizensiert werden. Werden nur grundlegende Intralogistikanforderungen abgedeckt, ist SAP WM auch in Zukunft eine robuste, bewährte Lösung – und bereits in der ERP-Lizenz enthalten. Die Wartung von SAP WM wird allerdings 2025 endgültig eingestellt.

 

Sollten Sie Fragen zum Thema EWM haben oder sich für eine Einführung interessieren helfen wir Ihnen gerne weiter.