Bei jeder zweiten Statusfeststellung wird mittlerweile Scheinselbstständigkeit festgestellt. Im Vergleich dazu war es im Jahr 2006 noch jeder fünfte Fall.

Seit Ende 2015 liegt der Regierung nun ein Gesetzesentwurf zu diesem Thema vor. Es wird damit gerechnet, dass dieser bis Januar 2017 als Gesetz verabschiedet wird.

Was ist Scheinselbstständigkeit?

Wird bei einer nachträglichen Überprüfung einer Vertragsbeziehung zwischen einem selbstständigen Unternehmer und einem beliebigen Auftraggeber ein „abhängiges“ Arbeitsverhältnis festgestellt, so spricht man von Scheinselbstständigkeit.

5 Anzeichen für Scheinselbstständigkeit

Das Bundesamt für Finanzen überprüft von Fall zu Fall ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Dabei wird ein Kriterienkatalog zugrunde gelegt, anhand dessen im Einzelfall entschieden wird, ob Scheinselbständigkeit vorliegt. Entscheidend für die Bewertung ist der Grad an unternehmerischer Freiheit, den der potentielle Scheinselbständige hat und inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen, unternehmerische Chancen wahrgenommen und hierfür beispielsweise Eigenwerbung betrieben wird.

Da bei der Entscheidung ein Ermessensspielraum für  den Prüfer gegeben ist, kann die Entscheidung in einem Fall je nach Prüfer unterschiedlich ausfallen. Nachfolgend finden Sie die Entscheidungskriterien im Einzelnen:

 

Das Problem

Die Beschäftigung von Scheinselbstständigen hat zum Ziel, Sozialabgaben und Steuerzahlungen zu mindern. Deshalb wird sie vom deutschen Staat hart bestraft. Problematisch ist, dass, oft willkürliche Statusfeststellungsverfahren, widersprüchliche Gerichtsurteile und unzeitgemäße Abgrenzungskriterien Basis der Beurteilung sind.

Deshalb kommt es immer wieder vor, dass reguläre Selbstständige und deren Arbeitgeber zu Unrecht kriminalisiert werden. Viele Freiberufler werden unter Generalverdacht gestellt. Das hat zur Folge, dass potentielle Auftraggeber im Zweifelsfall zunehmend auf die Beauftragung verzichten. Das sagt zumindest der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e. V., der sich seit einiger Zeit mit diesem Thema und den damit verbundenen Problemkreisen auseinandersetzt.

Die Mitglieder des VGSD fordern daher:

  • Klare und nachvollziehbare Kriterien für eine rechtssichere Beauftragung von Selbstständigen
  • Arbeitsbedingungen, die auf Sachzwängen beruhen, dürfen nicht zu einer Auslegung gegen Selbstständige führen
  • Gezielte Bekämpfung von Missbrauch statt Einschränkung von Vertragsfreiheit und freier Berufsausübung

Tipps für Selbstständige

Das Risiko der Scheinselbstständigkeit bezichtigt zu werden besteht sowohl für Auftraggeber als auch für Freiberufler. Die Strafen können enorm ausfallen. Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt, so müssen sowohl Auftraggeber als auch Selbstständiger entsprechende Nachzahlungen leisten. In extremen Fällen sind die Beiträge der vergangenen 30 Jahre für Auftraggeber, bzw. die Beträge der letzten 3 Monate für die Freelancer, abzuführen.

Grund hierfür ist der Umstand, dass Selbstständige, die in keinem abhängigen Arbeitsverhältnis stehen, nicht dazu verpflichtet sind Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abzuführen.

So können Freelancer Scheinselbstständigkeit vorbeugen

Nicht über längere Zeiträume für denselben Auftraggeber arbeiten

Dieser Punkt ist sehr differenziert zu sehen, wodurch auch klar ist, dass Scheinselbstständigkeit nicht immer auf einen Blick zu erkennen ist. Wird eine Mitarbeit eines Selbstständigen durch einen Vertrag klar auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, so kann dieser auch über einen längeren Zeitraum hinweg für denselben Auftraggeber arbeiten. Ist dies nicht der Fall, kann eine Scheinselbstständigkeit vermutet werden.

Einen eigenen Unternehmensauftritt nach außen sichern

Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen auch nach außen als Unternehmen zu erkennen ist. Werbung, eine eigene Website oder die interne Buchführung können als Indikator genutzt werden.

Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber vermeiden

Als Freelancer sind Sie in der Regel mit einem bestimmten Projekt beauftragt worden. Ausschlaggebend ist dabei, die gesetzten Ziele in der vorgegebenen Zeit zu erreichen. Wie diese Ziele erreicht werden sollte bei dem Freiberufler und seinen Mitarbeitern liegen.

Mehr als 5/6 des Gesamtumsatzes von einem Auftraggeber vermeiden

Ein beinahe todsicheres Indiz für Scheinselbstständigkeit sehen die Behörden, wenn mehr als 5/6 des Gesamtumsatzes von einem einzigen Auftraggeber stammen.

Freie Auftragswahl sicherstellen

Als selbstständiger Unternehmer sollten Sie selbst entscheiden können welche Aufträge Sie annehmen wollen oder ggf. ablehnen. Auch Folgeaufträge von bereits abgeschlossenen Projekten sind beispielsweise nicht zwingend zu akzeptieren.

Beschäftigung eigener Angestellter

Die zuständigen Behörden überprüfen auch, ob der Selbstständige regelmäßig einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.

 

Checkliste zur Scheinselbstständigkeit

  • Der Auftragnehmer ist nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert.
  • Der Auftragnehmer sollte möglichst nicht nur vor Ort bei dem Auftraggeber arbeiten.
  • Der Auftragnehmer ist weisungsfrei.
  • Der Auftragnehmer kann seine Arbeitszeit frei einteilen.
  • Der Auftragnehmer muss mit dem Auftraggeber keine Urlaubsregelungen treffen.
  • Der Auftragnehmer ist unabhängig in der Wahl des Ortes, an dem er den Auftrag ausführt.
  • Der Auftragnehmer hat eigene Räume, in denen er in der Regel arbeitet.
  • Der Auftraggeber verzichtet auf Einzelkontrollen.
  • Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, ständig dienst- oder abrufbereit zu sein.
  • Der Auftragnehmer kann frei über die Art und den Umfang der Tätigkeiten entscheiden, die er übernimmt.
  • Der Auftraggeber hat die Freiheit, auch Aufträge abzulehnen.
  • Der Auftragnehmer kann über seine Kapazitäten frei verfügen.
  • Der Auftragnehmer kann seinerseits Hilfskräfte zur Auftragserledigung einsetzen.
  • Der Auftragnehmer hat die Freiheit, für andere Unternehmen tätig zu werden.
  • Der Auftragnehmer trägt ein Unternehmensrisiko.
  • Der Auftragnehmer hat ein Haftungsrisiko für sich und die von ihm eingesetzten Hilfskräfte.
  • Der Auftragnehmer hat eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen.
  • Es sind kurze Kündigungsfristen im Vertrag vereinbart worden.
  • Die Vergütung erfolgt leistungsbezogen.
  • Keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
  • Der Auftragnehmer nutzt eigene Arbeitsmittel.

 

Ist der Großteil dieser Fragen mit „Ja“ zu beantworten, kann man relativ sicher sein, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Sollte Unsicherheit herrschen, kann eine entsprechende Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragt werden. Dies ist vor dem 01.01.2017 und somit dem voraussichtlichen Startdatum des neuen Gesetzes durchaus zu empfehlen.

Konsequenzen von Scheinselbstständigkeit

Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen die neue steuerrechtliche Situation klären und haften für Nachzahlungen als Gesamtschuldner. Sämtliche Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeitrage müssen nachgezahlt werden.

Inwiefern auch die Konsequenzen im Rahmen einer Gesetzesneuerung verändert werden bleibt abzuwarten.

Wir hoffen Ihnen durch diesen Artikel einen kleinen Überblick über dieses Thema bieten zu können. Wir bitten Sie jedoch auch zu beachten, dass selbst die Beachtung aller gegebenen Tipps in keinster weise Gewähr bietet. Eine definitiv abgesicherte Einschätzung kann lediglich die Rentenversicherung treffen. Wir halten Sie informiert.